Palliativkultur und Hospiz – Neue Wege in der Vereinte Martin Luther Stiftung

Erinnerst du dich an deine letzte Reise? Wohin und wie warst du unterwegs? Vielleicht zu Fuß, mit dem Fahrrad, dem Auto oder aber auch einfach mit deinen Gedanken und in der Phantasie? Die Reise des Ambulanten Hospizdienstes der Vereinten Martin Luther Stiftung begann im Jahr 2006. Sie startete in Hanau, führte nach Schlüchtern und Gelnhausen, schließlich in den ganzen Main-Kinzig-Kreis und auch darüber hinaus. Ich stelle mir heute einmal vor, der Ambulante Hospizdienst wäre auf einer Art Wanderschaft. Im Jahr 2022 sehe ich ihn mit einem großen, vollgepackten Rucksack vor mir. Darin befinden sich unzählige Begegnungen, Erfahrungen und Lebensgeschichten. An dem Rucksack pinnt ein Button mit bunten Luftballons und dem Schriftzug „Hospiz 2.0“. Und mit diesem wertvollen Gepäck macht sich der Ambulante Hospizdienst nun auf zu neuen Wegen…

Ehrenamtlich und hauptamtlich
Wer ist überhaupt der Ambulante Hospizdienst? Sein Hauptsitz ist die Martin-Luther-Anlage 8 in Hanau; zusätzlich dient ein neues Büro im Seniorenzentrum Colemenpark in Gelnhausen als zentrale Anlaufstelle im Main-Kinzig-Kreis. Zu dem Team gehören neben sechs Hauptamtlichen etwa 50 Ehrenamtliche. Sie begleiten und beraten Menschen im Leben und im Sterben und setzen sich dafür ein, dass der Tod in der gesamten Gesellschaft als natürlicher Teil des Lebens wahrgenommen wird. Die Ehrenamtlichen sind das Herzstück der Arbeit; ohne sie würde es keine Hospizarbeit geben. Darum freuen wir uns sehr, dass wir im vergangenen Jahr Zuwachs aus der ehemaligen Hospizgruppe „Lichtbogen“ bekommen haben. Die Trägerschaft dieser Gruppe ist von der Kirchengemeinde Wächtersbach auf uns übergegangen. Wir sind sehr dankbar für das Vertrauen in unsere Arbeit!

Mittendrin und vielfältig
Die Hospizbewegung entwickelt sich seit Ende der 1960er Jahre. Getragen von bürgerschaftlichem Engagement war sie die Antwort auf eine Gesellschaft, die das Sterben immer weiter an den Rand zu drängen drohte. Damit schwerstkranke Menschen und deren Zugehörige angemessen unterstützt werden können, müssen die Themen Tod und Sterben immer wieder ins öffentliche Bewusstsein gerufen werden. Hospizliche Themen beginnen nicht erst am Ende des Lebens, sondern bereits mittendrin. Auch bei uns in der Stiftung sind Abschied, Verlust und Trauer an vielen Orten im Alltag präsent. Bewohnerinnen und Bewohner haben damit zu tun, ebenso wie Angehörige und auch Mitarbeitende. Um das verstärkt in den Blick zu nehmen, haben wir die Arbeit in 2021 deutlich ausgebaut, neue Stellen geschaffen und dem Bereich den Namen „Palliativkultur und Hospiz“ gegeben. Menschen innerhalb und außerhalb unserer Einrichtungen stehen wir durch vielfältige Angebote, Begleitung und Beratung zur Seite.

Vorsorgend und vernetzt
Unser neues Angebot ist die „Gesundheitliche Versorgungsplanung“. Hierbei handelt es sich um ein Gesprächsangebot zur Patientenverfügung, das sich an Menschen richtet, die vollstationär in unseren Pflegeeinrichtungen leben. Wir wollen, dass die Menschen so behandelt werden, wie sie sich das wünschen – auch in schwerer Krankheit und in Situationen, in denen sie selbst nicht mehr entscheiden können. Daher ist es unser Anliegen, diese Wünsche gut zu kennen und zur Umsetzung zu verhelfen. Dies geht nur Hand in Hand mit dem Kollegium aus der Pflege und in Zusammenarbeit mit unseren Netzwerkpartnern. Für die persönliche Vorausplanung steht Marion Perner als qualifizierte Gesprächsbegleiterin in den Einrichtungen der Stiftung zur Verfügung. Sie bietet unseren Bewohnerinnen und Bewohnern an, mit ihnen über die persönlichen Werte, Vorstellungen und Behandlungswünsche zu sprechen und diese aufzuschreiben. Auch Angehörige und Betreuungspersonen sind herzlich eingeladen, sich mit ihren Fragen an Frau Perner zu wenden.

Kreativ und digital
In diesem Jahr feiert unsere Wanderausstellung „Gemeinsam unterwegs“ ihr fünfjähriges Bestehen. Sie war bereits an vielen Orten in ganz Deutschland zu Gast; immer wieder wirken Rolf Zuckowski und Inselmaler Anselm an Veranstaltungen mit. Auch digitale Formate haben sich in diesem Zusammenhang inzwischen etabliert. Zum Beispiel feierten wir letztes Jahr zum Ökumenischen Kirchentag und im Advent Online-Gottesdienste auf der Plattform „Zoom“ mit mehreren hundert Teilnehmenden. Besonders freuen wir uns immer, wenn Menschen dabei sind, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Auch sie können auf diese Weise an Gemeinschaft und Live-Musik teilhaben. Die Digitalisierung erleben wir in unserer gesamten Arbeit als bereichernde Ergänzung. Auf kreative Weise entdecken wir immer neue Wege, hospizliche Anliegen in die Gesellschaft zu tragen. Unter dem Namen @hospiz2.0 sind wir aktiv auf Instagram, Facebook und YouTube. Kürzlich startete unser erster hybrider Vorbereitungskurs „Meine Pilgerreise“ für Ehrenamtliche. Und pünktlich zum letzten Weihnachten ging unser neues Internetportal online; hier findet ihr viele Informationen, Blog-Beiträge, Videos und Termine: PALLIATIVKULTUR.DE

Der Ambulante Hospizdienst macht sich 2022 also auf zu neuen Wegen. Wenn ich ihn mir so mit seinem Rucksack auf Wanderschaft vorstelle, frage ich mich, mit welchen Gefühlen er wohl unterwegs sein mag. Da ist vielleicht ein wenig Unsicherheit und auch der Wunsch, Vertrautes zu bewahren. Aber er hat schließlich schon viele Erfahrungen sammeln dürfen, hat einen Auftrag in der Gesellschaft und eine Vision. Er weiß, dass er nicht alleine ist. Sein Rucksack wird von vielen Menschen gemeinsam getragen. Und so krempelt er in meiner Vorstellung mutig und zuversichtlich seine Ärmel hoch und ist auf seiner Reise auch weiterhin im Vertrauen unterwegs.

Kerstin Slowik, 08. März 2022