Rapunzel

Es waren einmal ein Mann und eine Frau, die wünschten sich schon lange sehnlichst ein Kind und kriegten immer keins. Endlich wurde die Frau schwanger und schon in der Schwangerschaft kamen die Probleme, denn sie konnte ihre Lust auf Rapunzelsalat nicht zügeln und was dann passierte, wissen wir ja. Vielleicht kamen die Probleme auch schon vor der Schwangerschaft? Denn so beginnt die Geschichte ja! Also nochmal auf Anfang: Es waren einmal – siehst Du? Im Beginn liegt schon das Ende. In der unbestechlichen Vergangenheitsform des Verbs sehen wir schon: Alles was nun kommt, wird auch einmal zum Ende kommen. Wir erzählen jetzt davon. Wir erinnern uns. Die Erinnerung ist lebendig, aber das, worum es geht, ist vorbei. Es waren einmal – und dann? Dann kommen ein Mann und eine Frau und haben diesen Wunsch. Dieser Wunsch ist so groß, dass er sich wild aufbäumt gegen die ersten gesetzten Worte vom Ende! Ein Kind! Wir wollen ein Kind! Wir wollen nicht irgendwas, wir wissen genau, was wir wollen, unsere übergroße Sehnsucht hat einen Namen, wir nennen sie zunächst einmal „Trotzdem“. Wir nennen sie „Jetzterstrecht“. Wir nennen sie „Hoffnung“. Wir nennen sie „Kind“.

Konstanze Ebel