Ich habe einen Bewohner in der Sterbephase begleitet. Einen Tag bevor er verstarb, saß ich neben seinem Bett im Zimmer und habe ihm ein Lied vorgesungen und dabei Gitarre gespielt. Ich hatte ihm das angeboten und er nahm es an. Nachdem ich das Lied fertig gesungen hatte, sah ich Tränen in seinen Augen. Ich nahm seine Hand und habe sie leicht gedrückt. Er fragte mich: „Warum machst du das?“ Ich antwortete: „Ich will dich unterstützen. Ich habe das Gefühl, du brauchst das.“ Und er sagte: „Kann es sein, dass du das mehr brauchst als ich? Ich habe keine Angst. Ich bin zufrieden und bereit, endlich diese Welt zu verlassen. Du brauchst keine Angst zu haben, es wird schon alles gut sein mit mir. Ich weiß schon, was mich erwartet.“
Er hatte recht. Seine Hand zu halten hat mir selbst mehr geholfen als ihm. Ich hatte tierische Angst um ihn und vor dem, was danach kommt. Ich hatte Angst um mich selbst und vor dem, was MICH nach dem Tod erwarten würde. Wie er das gewusst hat, weiß ich bis heute nicht. Ich habe in diesem Moment gespürt, wie temporär Leben ist und wie wichtig es ist, RICHTIG zu leben, damit man am Ende liegen und sagen kann: „Hab keine Angst. Ich bin zufrieden und ich weiß schon, was mich danach erwartet.“ Genau das will ich einmal sagen können, wenn es soweit ist. Aber bis dahin werde ich RICHTIG leben.
Eugene Asira, 25. April 2021
Ich denke, Sterbebegleitung ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Man kann selbst seine Gedanken, Ängste und Sorgen nicht ganz ausblenden, wenn man einen Menschen begleitet. In diesem beschriebenen Fall ist der sterbende Mensch derjenige, der Mut macht. Er ist mit sich im Reinen und ist bereit, zu gehen. Dies habe ich selbst auch schon so ähnlich erlebt.
Jeder bringt Dinge in seinem Rucksack mit, genau wie du beschreibst. Danke dafür 🙂
Die Konfrontation mit der Endlichkeit des menschlichen Lebens ist wie ein Spiegel. Wir schauen hinein und sehen uns selbst.
Und das ist gut so, auch wenn der Anblick im Spiegel vielleicht manchmal nicht leicht ist 🙂
„Seine Hand zu halten hat mir selbst mehr geholfen als ihm.“ Dies hat mich bewegt. Bei jeder Begleitung wird man etwas anderes „mitnehmen“, denke ich.
Dinge, die wir aus Begleitungen mitnehmen, füllen wiederum unseren wertvollen Rucksack 🙂
Begleitung ist nicht nur für den Begleiteten wertvoll. Manche sind uns vielleicht schon einen Schritt voraus. Und wieviel Hoffnung gibt der zufriedene Satz: „Ich weiß schon, was mich erwartet…“!
Und wieviel Sicherheit dieser Satz auch geben kann… Danke dafür 🙂
Nach dieser Geschichte fällt mir ein Zitat ein: „es sind die Begegnungen mit Menschen, die das Leben lebenswert machen “ und das bis zum letzten Tag. Schön, wenn wie in dieser Geschichte, diese Begegnung für beide wertvoll ist.
Welch schönes Zitat 🙂 Danke!